Raus aus dem sexuellen Abseits!

Veröffentlicht am 28.08.2009 in Allgemein
"Zur Sache" - Die Kolumne der Wittener Jusos

Ein Gastbeitrag von Patrick Abarrou, Schwusos Dortmund

Homosexuelle gelten in unserer Gesellschaft trotz aller Fortschritte immer noch als Randgruppe. Es ist an beiden Seiten, Vorurteile abzubauen.
Vor 30 Jahren war Homosexualität in der Gesellschaft noch verpönt. Aus diesem Grunde versteckten sich Personen mit diesen Neigungen aus Angst vor Denunzierungen auf der Arbeit, bei Freunden und gar in der Familie. Hinzu kam noch die Problematik der Immunschwäche-Krankheit HIV, die dazu beitrug, dass Homosexuelle noch mehr ins Abseits gedrängt wurden. Trotz großer Aufklärungsarbeit war die gleichgeschlechtliche sexuelle Neigung immer noch zum Versteckspiel verurteilt.

In den 1980er Jahren konnten sich die Gesellschaft des Themas Homosexualität nicht mehr verschließen, als die ersten Fälle von HIV – Infektionen und der Tod Aids – kranker Homosexueller bekannt wurde. Viele Menschen vermieden aus Angst vor Ansteckung den Kontakt zu Homosexuellen.

Anders sieht es in anderen Ländern aus. Während in Teilen der europäischen Kultur Homosexualität erst in den letzten Jahrzehnten ihre Position als Tabuthema verloren hat und zugleich in manchen Ländern dieses Tabu noch immer sehr stark ist, ist die Frage nach Hetero- beziehungsweise Homosexualität in anderen Kulturen fast unbekannt. Dort wird weniger streng zwischen homo und hetero unterschieden, was der Charakteristik der menschlichen Sexualität eher gerecht werden dürfte als eine schroffe Polarisierung.

Eine These besagt, das jeder Mensch eine Bisexualität besitzt, wobei die bei einer Gruppe von Menschen weniger ausgeprägt ist, bei einer anderen Gruppe stärker ausgeprägt. Sigmund Freud sagt in diesem Zusammenhang, das eine gewisse Bisexualität angeboren ist. In verschiedenen Filmen wurde das Thema AIDS und Homosexualität thematisiert. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der Film „Philadelphia“, der eindrucksvoll und einfühlsam auf die Problematik einging. Des Weiteren wird die Thematik ins Licht der Öffentlichkeit durch den Tod bekannter Persönlichkeiten ins Licht der Gesellschaft gerückt.

Als Freddie Mercury im Jahre 1991 an seiner langjährigen AIDS – Erkrankung starb, gucke die ganze Welt nach London, also dort ein Konzert zu seinen Ehren gegeben wurde. Erneut wurde in der Gesellschaft heftig über dieses Thema diskutiert und AIDS als Krankheit der Homosexuellen angesehen.

Bisher konnte das Image einer Randgruppe aber noch nicht abgelegt werden.

Es liegt daran, dass die Infektionsrate Homosexueller in den letzten Jahren erneut angestiegen ist. Dies rührt daher, dass das Sexualverhalten Homosexueller oft verantwortungslos ist bzw. scheint. Auch wenn sich die Deutschen tolerant und weltoffen geben, gibt es noch genügend Personen, die Homosexualität nicht akzeptieren und gleichgeschlechtliche Paare mit einem denunzierenden Blick angucken. Zwar hat sich die homosexuelle Gemeinschaft Gehör in der Hetero - Gesellschaft, dennoch ist die Homosexualität den meisten ein Gräuel.

Erstaunlicherweise sind es zunehmend Jugendliche, die trotz eigener Rebellion gegen gesellschaftliche Normen häufig Aggressionen gegen Homosexuelle entwickeln und bisweilen zu brutalem Vorgehen gegen diese Gruppe neigen. Vor allem hier gilt es, Vorurteile abzubauen. In einigen Bereichen versucht man, dem gerecht zu werden. Ein Beispiel ist die deutsche Bundeswehr, die versucht, mit einer Dienstvorschrift den Diskriminierungen gegenüber Homosexuellen Herr zu werden.

In der katholischen Kirche werden Männer mit homosexueller Veranlagung immer mehr wahr genommen, wobei die gelebte Homosexualität sich nicht mit Kirche vereinbar ist.
Anders hingegen sieht es bei der evangelischen Kirche aus, wo Mitarbeiter nicht von Kündigung oder Ausschluss bedroht sind, wenn sie eine homosexuelle Bindung eingehen. Bis zum Hochmittelalter galt der Analverkehr im christlichen Bereich als Sünde, aber noch nicht als Verbrechen; folglich drohte maximal eine Kirchenbuße und ein zeitweiliger Ausschluss von der Eucharistie, aber noch keine weltlichen Maßnahmen.

Vom 13. Jahrhundert bis zur Aufklärung wurde Analverkehr zwischen Männern dann in fast ganz Europa unter der Bezeichnung „Sodomie“ durch weltliche Gesetze mit dem Scheiterhaufen bedroht, hier wird noch von der Sodomiterverfolgung gesprochen. Zu größeren Verfolgungen und jeweils Hunderten von Hinrichtungen kam es während des Spätmittelalters in Norditalien und Spanien sowie während des gesamten 18. Jahrhunderts auch in England, Frankreich und den Niederlanden.

Bis zur Reform des § 175 im Jahr 1969 arbeitete die Polizei dabei mit Spitzeln in der schwulen Subkultur und geheimen Rosa Listen, auf denen zahlreiche Namen von homosexuellen Männern verzeichnet waren. Da Homosexualität verfolgt und bis in die 1970er Jahre als psychische Erkrankung diagnostiziert wurde, konnten Homosexuelle auch auf unbestimmte Zeit freiheitsentziehend in einer forensischen Psychiatrie untergebracht werden. Ein Beispiel ist die „Behandlung“ des britischen Mathematikers Alan Turing im Jahr 1952.

In der Bundesrepublik Deutschland bestand der § 175 bis 1969 in der von den Nazis verschärften Fassung weiter, was vom Bundesverfassungsgericht 1957 als rechtmäßig anerkannt wurde. Erst 1994 fiel er im Zuge der Rechtsangleichung mit der DDR weg. Im Mai 2008 wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht.

In rund 75 von 195 Staaten auf der Welt werden Homosexuelle auch heute noch strafrechtlich verfolgt, so etwa in Indien, Nigeria, Jamaika, Simbabwe, Angola, Nepal und in den meisten islamischen Staaten, wobei fünf dieser Länder – Jemen, Iran, Saudi-Arabien, Mauretanien und Sudan – Homosexuelle mit dem Tode bestrafen.

In der Geschichte und in der Gegenwart waren auch Homosexuelle selbst oft große Feinde und Verfolger anderer Homosexueller. So ist bekannt, dass es oft latent Homosexuelle sind, die aus Angst vor dem Bekanntwerden der eigenen Neigung alle anderen, vor allem sich offen bekennende Homosexuelle, bekämpften und bekämpfen.

Ein besonderes Problem ergibt sich für Homosexuelle, die zum Beispiel öffentlich angestellt sind (Lehrer, Bewährungshelfer), in der Jugendarbeit tätig sind (Erzieher, Heimleiter, Betreuer) oder einer Beschäftigung im christlich-religiösen Leben nachgehen (Pfarrer, Priester). Homosexuelle Lehrerinnen und Lehrer und Jugendleiterinnen und Jugendleiter werden wegen unterstellter Beeinflussung der Kinder in einigen Fällen mit erheblichem Druck abgelehnt.

Politiker, die offen zu ihrer Homosexualität stehen, konnten sich erst in jüngerer Zeit profilieren. Bekannte Beispiele dafür sind der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), dessen Outing in die Sprachkultur einging: Ich bin schwul, und das ist auch gut so, der Erste Bürgermeister von Hamburg Ole von Beust (CDU) und der Bundesvorsitzende der FDP, Guido Westerwelle.

Nun etwas Statistisches:
So gab in einer Studie zur Jugendsexualität, die 1970 vom Hamburger Institut für Sexualforschung durchgeführt wurde, beinahe jeder fünfte der befragten 16- und 17-jährigen Jungen an, gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben.

Zwanzig Jahre später waren es dagegen nur noch zwei Prozent, wohingegen eine repräsentative Umfrage eines großen Jugendmagazins im Jahre 1997 ergeben hat, dass 25 Prozent aller Jungen zwischen 14 und 17 gleichgeschlechtliche Erfahrungen gemacht haben. Zwei Prozent gaben an, sie seien schwul, 68 Prozent hätten nichts gegen Schwule.

Wie bei allen Umfragen bezüglich des Themas Sex ist die Aussagekraft solcher Statistiken kritisch zu betrachten, da die Befragten bei intimen Themen dazu tendieren, die Unwahrheit zu sagen. Aus all diesen Beispielen sollte die deutsche Gesellschaft lernen, um ein besseres Miteinander zu gestalten und/oder Randgruppen zu akzeptieren und in Ihren Alltag aufzunehmen. Die Gesellschaft sollte mit öffnen für das „Unbekannte“.

Dieses wird noch einige Zeit dauern, wenn die Gesellschaft – die meisten zumindest – andersartige nicht als feindlich ansieht. Derzeit wird nämlich nach dem Motto der Kölner gehandhabt: Wart der Burg et kennt, tat frisst er et. (auf hochdeutsch: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.)

Die Zukunft wird zeigen, ob sich was ändern wird.

 
 

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