Bildung für alle – Alle für die Bildung!

Veröffentlicht am 12.05.2008 in Allgemein
"Zur Sache" - Die Kolumne der Wittener Jusos

Von Axel Echeverria

Spätestens seit der PISA-Studie aus dem Jahre 2000 ist die Misere des deutschen Bildungssystems bekannt. Als Reaktion auf das vernichtende Urteil der Studie zur Lesekompetenz der deutschen Schüler, setzte im ehemaligen Land der Dichter und Denker eine große Diskussion über das bis dahin existierende Bildungssystem ein. Gerade in einem Zeitalter in dem Bildung zur letzten verbliebenen Ressource der westlichen Welt wird, war klar, dass es mit der deutschen Lebenslüge des guten Bildungssystems nicht mehr so weiter gehen konnte.

Die deutsche Politik hatte in Finnland und den anderen skandinavischen Ländern ein Vorbild gefunden, welches immer wieder als Ideal eines guten Bildungssystems stilisiert wurde. Somit setzte in Bund und Ländern der Wille ein, das mehr oder minder marode System zu modernisieren. Insgesamt setzte zum Ende des letzten Jahrhunderts und zu Beginn des jetzigen eine Globalisierung der Bildung ein, welche sich alleine an dem internationalen Vergleich der Schülerleistungen (PISA), als auch an der Einführung der modularisierten Studiengänge (Bologna-Prozess: Bachelor-/Mastersystem) zeigte.

7 Jahre (2007) später zeigten die deutschen Schüler innerhalb der PISA-Studie eine deutlich verbesserte Leistung im Bereich der Naturwissenschaften. Interessanterweise wurde eine der wichtigsten Erkenntnisse, welche die Studie aus dem Jahre 2000 neben dem schlechten Ergebnis in Deutschland zutage brachte, fast vollkommen verschwiegen: in Deutschland ist der schulische Erfolg eng verbunden mit der sozialen Herkunft.

So wies die PISA für Deutschland viele sehr schlechte Ergebnisse, aber auch eine vergleichsweise hohe Anzahl an sehr guten Ergebnissen auf, was fast komplett fehlte waren mittlere Ergebnisse. Die von Pädagogen seit Jahren vertretene These, dass die soziale Herkunft der Schüler im deutschen Schulsystem die Basis für den Erfolg oder Misserfolg legt, wurde somit bestätigt. Betrachte man nun die Veränderungen im Bildungssystem innerhalb der letzten acht Jahre, fragt man sich an welcher Stelle die regierenden Parteien innerhalb ihrer Politik, dieses grundsätzliche Problem des deutschen Bildungssystems berücksichtigt haben. Betrachten wir den konkreten Fall NRW:

Was ist in den letzten 8 Jahren geschehen?

Wo genau hat die Politik angesetzt um allen Kindern, die in NRW eine Schule besuchen eine Chancengleichheit zu geben? Die Ironie ist, dass nur in einem Bereich unseres Bildungssystems dies geschehen ist: alle Studenten müssen an ihrer jeweiligen Universität Studiengebühren in gleiche Höhe zahlen. Egal ob die 500€ pro Semester für das Elternhaus unproblematisch sind oder nicht. Somit werden Menschen aus sozial schwächeren Verhältnissen durch diese Form der Gleichbehandelung benachteiligt.

Auf der anderen Seite haben wir das „Turboabitur“, welches denjenigen, die von ihrem Elternhaus gefördert werden können, einen Zeitvorsprung auf der Karriereleiter zubilligt. Nach der Reform der schwarz-gelben Landesregierung entscheidet sich ein Großteil der Karrierechancen eines Kindes nach der 4.Klasse. Man sollte sich nichts vormachen. Heutzutage ist ein guter Hauptschulabschluss, leider wenig, viel zu wenig Wert im Wettbewerb um Ausbildungsplätze.
Insgesamt kann man sagen, dass insbesondere die schwarz-gelbe Landesregierung weiter das fördert, was durch PISA aufgedeckt wurde. Das reformierte Bildungssystem schließt keine Lücken, welche aufgrund der sozialen Herkunft existieren, es vergrößert sie sogar noch.

Scheinbar wird aus wirtschaftlichen Gründen den Kindern eines der größten Privilegien aberkannt, die sie eigentlich haben sollten: das Recht ein Kind zu sein.
Schon ab der 3. Klasse muss um eine mögliche Qualifikation zum Gymnasium gekämpft werden. Schafft es den Sprung auf die „elitäre Variante“ der Weiterführenden Schulen geht der Kampf weiter in acht Jahren das Abitur zu erreichen. Somit wird von der neuen Generation der Schülerinnen und Schülern etwas abverlangt, was ihre Vorgänger mit mehr Zeit oft nur mit Hilfe von Nachhilfestunden geschafft haben. Diese Art der außerschulischen Unterstützung kann aber nur von Familien bereitgestellt werden, die sich das auch leisten können.
Auf dem Punkt gebracht bedeutet das nur, dass innerhalb unseres Bildungssystems eine soziale Selektion stattfindet, die schon in der Schulzeit über das weitere Leben und mögliche berufliche Erfolge von Menschen entscheidet.

Natürlich könnte an dieser Stelle entgegnet werden, dass für Schülerinnen und Schüler, für die ein 13. Schuljahr als ratsam betrachtet wird, die Möglichkeit besteht ihr Abitur an einer Gesamtschule bzw. Kollegschule zu machen. Der an dieser Stelle kritisierte Selektionsmechanismus richtet sich nicht an eine kleine Gruppe von hochbegabten Menschen. In erster Linie favorisiert er die Kinder aus „gutem Haus“, da schon im 13jährigen- Schulsystem, die meisten Laufbahnen oft in Verbindung mit außerschulischer Unterstützung, sprich Nachhilfe, standen. Die Verkürzung der Schulzeit an Gymnasien wird das extrem hohe Lerntempo aller Wahrscheinlichkeit nach weiter erhöhen.

Somit bleibt festzuhalten, dass das von der schwarz-gelben Landesregierung reformierte Schulsystem gerade im Bereich der Chancengleichheit eine absolute Verschlechterung zum alten System darstellt. Gerade auf längere Sicht betrachtet steuert unsere gesamte Gesellschaft auf ein Zweiklassensystem hin. Eine gebildete und finanzstarke Elite auf der einen Seite und eine Bildungsschwache und finanzschwache Unterschicht auf der Anderen.

Auf der nächsten Stufe der Bildungsleiter sieht es nicht viel besser aus. Wie schon angedeutet muss jeder Studierende in NRW für seinen Studienplatz einen Obulus von bis zu 500€ an seine Universität abführen. Selbstverständlich gibt es die je nach Universität unterschiedlich, die Möglichkeit sich von der Campus-Maut befreien zu lassen bzw. für Studierende aus sozial schwächeren Verhältnissen sich einen Kredit von der NRW-Bank zu holen.
Nach dem Plan der schwarz-gelben Landesregierung stehen junge Menschen nach dem Ende ihres Studiums somit nicht nur einer ungewissen Zukunft gegenüber (Generation Praktikum), dieser müssen sie dazu noch mit einer großen Summe an Schulden begegnen. Trotz aller sozialer Hilfen bleibt es Fakt, dass Gebühren Menschen vom Studium abhalten.

Besonders im Kontext der Frage nach der sozialen Herkunft offenbart sich wieder die Sozialselektion des der derzeitigen Bildungssystems in NRW. Menschen aus vermögenden Familien macht eine Mehrbelastung von 1000€ pro Jahr nicht viel aus. Bei Menschen, die keine oder auch nur eine geringe finanzielle Unterstützung erwarten können, stellen 1000€ pro Jahr ein handfestes Problem dar.

Nicht unbegründet hat sich die SPD im Jahre 2007 die Forderung nach einer gebührenfreien Bildung und der Einheitsschule in das Parteiprogramm geschrieben. Eine Einheitsschule in Kombination mit einem gebührenfreien Studium würde den Selektionsfaktor des Bildungssystems auf der sozialen Ebene stark vermindern.

Somit bleibt zu hoffen, dass die SPD sich an die selbst gestellten Vorgaben zur Wiederherstellung der Chancengleichheit innerhalb des Bildungssystems hält und die Wählerinnen und Wähler aus dem Verhalten der schwarz-gelben Landesregierung ihre Konsequenzen ziehen.
 
 

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