Glyphosat, Nachhaltigkeit und Kannibalen: Politischer Abend zur Zukunft der Landwirtschaft

Veröffentlicht am 19.12.2017 in Veranstaltungen

Ist die Zukunft der Landwirtschaft konventionell oder nachhaltig? Am Mittwoch, dem 13.12., diskutierten wir diese Frage beim siebten politischen Abend der Jusos, diesmal im Restaurant Zum Alten Fritz. Das Thema traf offensichtlich einen Nerv: Kein Platz blieb frei, einige Gästen mussten zeitweise stehen.

Nachhaltigkeit ist auch in der konventionellen Landwirtschaft möglich, so eröffnete Dirk Kalthaus vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband den Abend. Viele Klischees träfen nicht zu: Auf seinem eigenen konventionellen Milch-Hof in Ennepetal-Rüggeberg gingen die Kühe selbstverständlich auf die Weide, hätten Platz und Stroh in ihren Boxen und natürlich eigene Namen. Es gebe außerdem zahlreiche Initiativen des Landwirtschaftsverbandes, Umwelt- und Tierwohl zu fördern. Das reiche vom Einrichten von Blühstreifen und Lerchenfenstern in Äckern bis zum Verbot des Abschneidens von Ringelschwänzen, um Kannibalismus bei Schweinen zu verhindern. Insgesamt habe sich bereits einiges getan, aber vieles bräuchte noch Zeit, um von allen Bauern angenommen und umgesetzt zu werden.

 

Dem widersprach der zweite Referent: Echte Nachhaltigkeit könne nur mit Fruchtfolge auf den Feldern gelingen, so Bert Schulze-Poll von der Betriebsgemeinschaft Trantenrother Hof als Vertreter des Demeter-Anbauverbandes. Sein Bio-Gemüsehof setze konsequent auf einen siebenteiligen Fruchtwechsel, um den Boden die Nährstoffe zurückzugeben, die ihm im Lauf der Jahre entnommen würden. Anschaulich zeigte Schulze-Poll die Herausforderungen, vor denen ein Biobauer steht: Da fressen Marder schon mal ein Drittel der Hühnerherde, oder Schädlinge vernichten die Jahresernte binnen einer Woche. Ohne Zukauf von Demeter-Gütern und der tatkräftigen Hilfe von Waldorf-Schülern sei der Hof oft nicht wirtschaftlich zu betreiben.

 

Dementsprechend emotional reagierte er, als das Publikum, die Verschwendung von Lebensmitteln thematisierte: Wenn große Teile der Lebensmittelproduktion nach nur wenigen Tagen auf dem Müll landeten, sei das ein großes gesellschaftliches Problem. Kalthaus sah dies differenzierter: Selbstverständlich sei auch er gegen Verschwendung, doch wolle er seiner Tochter nicht die Warenvielfalt im Supermarkt verwehren, die heute selbstverständlich geworden sei.

 

In der anschließenden Diskussion stellten sich beide Seiten kritischen Nachfragen. Gerade Herr Kalthaus‘ Aussagen zum Unkrautvernichtungsmittel „Glyphosat“ erregten einigen Widerspruch. Dass rund um Witten kaum ein Bauer Glyphosat einsetze, wollte das fachkundige Publikum so nicht stehen lassen, ebenso wenig die Äußerungen zu den Umweltauswirkungen des Herbizids. Herr Schulze-Poll wandte sich nachdrücklich gegen die Aussage von Herrn Kalthaus, das konventionelle Landwirtschaft nötig sei, um den Hunger in Dritt-Welt-Ländern beenden: Ärmere Länder seien durchaus in der Lage, sich selber zu versorgen, dies gelinge aber nicht gegen die billigen Exporte der konventionellen Landwirtschaft.

 

Doch auch dem Demeter-Bauer schlug Kritik entgegen: So verwahrte er sich gegen die Publikums-Aussage, biologische Landwirtschaft wäre nur etwas für Besserverdiener und benachteilige ärmere Mitglieder der Gesellschaft. Zwar seien seine Preise höher, dies entspreche aber dem realen Aufwand. Er forderte ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, was Lebensmittelpreise angeht. „Ein Schokoriegel kostet weniger als ein Apfel“ – das könne nicht sein. Auf die Nachfrage, wie das politisch erreicht werden könne, verwies er auf die Verantwortung des Verbrauchers. Gut gemeinte Politik bedeute für ihn als Biobauern dagegen lediglich mehr Bürokratie – Zeit, die er lieber auf dem Acker verbringe. Dem schloss Herr Kalthaus sich an. Zwar sei Förderung nötig, aber auch er wünschte sich weniger Regularien vom Gesetzgeber und mehr Vertrauen in die konventionelle Landwirtschaft.

 

So endete der siebte politische Abend im unpolitischen Einklang. Kommt die nachhaltige Landwirtschaft also von selber, so wie die Sonne und der Regen auf dem Feld? Wir Jusos bleiben skeptisch.

 
 

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