Fluchtursachenbekämpfung als Weg zu einem gerechteren Europa

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Fluchtursachenbekämpfung als Weg zu einem gerechteren Europa

von Juso-Mitglied Anna Krawietz, 11.12. 2017

Die gemeinsame Geschichte Europas und Afrikas, welche vor allem von der Kolonialisierung und den daraus resultierenden Plünderungen der Ressourcen und Völkermorden geprägt ist, reicht tief bis in die letzten Jahrhunderte. Seit jeher war Europa der Profiteur dieser Beziehung. Heute verweist man mit Bezug auf europäische Afrikapolitik gerne auf die Milliarden Summen die in Entwicklungsprojekte fließen. Doch die dazu konträre Wirtschaftspolitik der Europäischen Union in Afrika zeigt die Doppelbödigkeit der Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik.

Im Laufe der Flüchtlingswellen in den vergangenen Jahren kam immer wieder das Schlagwort „Fluchtursachenbekämpfung“ auf. Mittlerweile steht jedoch die Symptombekämpfung dieser Ursachen wieder in den Forderungen der deutschen und europäischen Politik. „Fluchtursachenbekämpfung“ bleibt eine leere Phrase mit der man nichts konkretes verbindet. Dabei würden einige wenige wirtschaftliche Maßnahmen ausreichen, um den Anreiz aus Subsahara-Afrika zu fliehen zu verringern. Eine gerechtere Wirtschaftspolitik könnte der Welt die Horrorszenarien wie auf dem Mittelmeer, unmenschliche Verträge wie den Khartum Prozess und Hungersnöte ein stückweit ersparen.

Es ist vor allem die Agrar- und Fischereipolitik der EU, welche auf Verträgen mit autoritären Staaten basiert die den Menschen in Subsahara-Afrika ihre Lebensgrundlage entzieht. 

Die Europäische Union unterstützt die Milchindustrie mit Exportsubventionen von 1,6 Millionen Euro pro Jahr. Das hat zur Folge, dass in Deutschland jährlich ein Überschuss von 800 Millionen Litern Milch produziert wird. Dieser Milchüberschuss wird dann in Form von Trockenmilch nach Afrika exportiert und dort zu Schleuderpreisen verkauft, was zu einem Abbau der einheimischen Milchindustrie bzw. Arbeitslosigkeit führt. Einen ähnlichen Vorgang kann man bei dem Export europäischer Fleischabfälle nach Afrika beobachten. 
Länder wie Spanien oder Griechenland gelten als Sorgenkinder der Eurozone. Um diesen Staaten aus der Krise zu helfen, kauft die Europäische Union jährlich für 160 Millionen Euro Fangrechte an den Küsten Westafrikas, zum Beispiel von Mauretanien und Marokko ein. Gut 700 europäische Trawler fischen an den Küsten der 15 Vertragsstaaten. Ein Trawler fängt pro Tag ca. 200.000 Kilo Fisch, um diese Menge zu fischen bräuchte ein traditioneller, westafrikanischer Fischer mehre Jahrzehnte. Die unverhältnismäßige Konkurrenz entzieht den einheimischen ihre Lebensgrundlage und aus den Fischerpirogen werden mit der Zeit Flüchtlings – und Piratenboote. Nebenbei schädigt die exzessive, unökologische Fischerei massiv die Umwelt und mit der Fischerei an den Küsten der von Marokko annektierten Westsahara fischen die meist spanischen Trawler in völkerrechtlich umstrittenem Gebiet. 

Die eben genannten Beispiele sind nur zwei aus vielen. Nach solchen Berichten stellt sich schnell die Frage, wieso die Staaten sich überhaupt auf diese Verträge einlassen, wenn sie doch ihrer eigenen Wirtschaft und Bevölkerung massiv schaden. Zum einen sind die Staaten oftmals durch die EPAs vertraglich an die EU gebunden und ein Ausstieg aus diesen Verträgen würde zu einer noch größeren Schwächung der Wirtschaft führen. Zum anderen sind viele Staaten auch Abhängig von den Zahlungen der europäischen Länder, die Zahlungen machen bis zu 15% des Staatshaushalts aus. Doch an diesen Summen hat die Bevölkerung in Staaten, welche auf dem Weltkorruptionsindex ganz oben stehen, wenig Anteil. Ein ähnlicher Effekt lässt sich ebenfalls bei Entwicklungsgeldern feststellen, sie verschwinden oft in den Kreisen korrupter Eliten.
Ich selber bin eine große Verfechterin der europäischen Idee. Doch ein Europa welches arme Staaten auf Kosten noch ärmerer Staaten bereichert, ein Europa welches wirtschaftlichen Profit über die Würde des Menschen stellt, ein Europa welches nur auf den eigenen, inneren Wohlstand bedacht handelt, dieses Europa entspricht nicht meinem Ideal eines gerechten Europas. Sollte man deswegen jetzt die gesamte europäische Idee und Konzeption in Form der EU in Frage stellen? Nein, ganz im Gegenteil, wir als Europäer sollten dies lieber zum Anlass nehmen, die Umsetzung der europäischen Idee zu optimieren und Europa zu unserem Ideal von Europa machen. 


Ein erster Schritt in Richtung meines idealen Europas wäre es, die leere Phrase „Fluchtursachenbekämpfung“ mit Bedeutung zu füllen. Das könnte zum Beispiel in Form eines Rückgangs der Subventionen für die Milchproduktion geschehen oder durch einen Abbau der Fischerei an den Küsten Westafrikas. Ich wäre bereit zuhause, im Ruhrgebiet auf Fisch verzichten und diesen nur an der Nordsee oder an anderen Orten in Meeresnähe zu essen und für die Milch im Supermarkt den einen oder anderen Euro mehr zu bezahlen, wenn ich damit anderen Menschen ihre Lebensgrundlage wiedergeben könnte. Ich frage mich, wie viele andere Europäer und Europäerinnen auch bereit wären, ihren Lebensstandard minimal herabzusetzen um anderen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen.

Quellen:

Vergiftete Geschenke - Wie die EU Afrika in die Armut treibt

Spiegel Online: Europa kauft die Meere leer

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